Philipp von Schulthess spielt als einziger Verwandter von Claus Schenk Graf von Stauffenberg mit in dem Hollywoodfilm „Valkyrie“, der gerade über den Hitler-Attentäter gedreht wird. Der Stauffenberg-Enkel über seine Rolle, seine Familie und seinen Filmpartner Tom Cruise. Dessen Mitgliedschaft bei Scientology stört den Stauffenberg-Enkel nicht.
Kaum jemand kennt ihn, zumindest noch nicht, aber man identifiziert ihn schnell unter den Passanten auf dem Berliner Kurfürstendamm. Es ist die Frisur: deutscher Wehrmachtshaarschnitt. Den hat Philipp von Schulthess zwar normalerweise nicht, derzeit muss er ihn aber tragen, denn er spielt in dem Hollywoodfilm „Valkyrie“ über den Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der gerade gedreht wird, die Rolle eines Adjutanten.
„Willkommen im Zweiten Weltkrieg“, grüßt der 34-Jährige, knallt mit strenger Miene die Hacken zusammen und lacht dann. Typ netter Junge aus gutem Hause ist er. Man spürt, der erlebt gerade etwas ganz Großes. Schon platzt es aus ihm heraus: „Was da gerade abgeht, ist der Wahnsinn“, sagt er. „Ich muss mich kneifen, ob es auch kein Traum ist.“
Philipp von Schulthess, gebürtiger Schweizer mit deutschem Pass, ist ein direkter Verwandter Stauffenbergs, sein Enkel. Und er spielt neben Tom Cruise, Hollywoodstar und Hauptdarsteller. Damit ist Schulthess, der bislang nur auf kleineren Theaterbühnen gestanden hat, einer von fünf deutschen Akteuren in der 60-Millionen-Dollar-Produktion mit Thomas Kretschmann, Christian Berkel, Werner Dähen und Matthias Schweighöfer.
Eine schwarze Limousine bringt ihn zum Set
Aufgeregt rutscht er auf der Lederbank im Café hin und her, es ist sein erstes Interview. Philipp von Schulthess bestellt Milchkaffee. Zugenommen habe er: „Am Set bekommen wir Ente à l'Orange und Thunfisch serviert. Nur vom Feinsten.“ Wenn er dreht, holt ihn eine schwarze Limousine ab. Am Set hat er einen eigenen Wohnwagen, wie die großen Stars. „Tresckows Adjutant“ steht an seiner Tür.
„Da sitze ich dann neben Leuten wie Kenneth Branagh, Tom Hollander oder David Bamber, der den Hitler spielt, und höre mir deren Anekdoten an. Es ist der absolute Wahnsinn“, sagt von Schulthess, dabei sei er ja das kleinste Licht im Stab. „Meine Rolle ist winzig. Zwei Sätze, das war's.“ Die allerdings in den ersten Minuten. „Der Film beginnt praktisch mit mir.“ Er lacht.
Eine Freundin hatte ihm im März eine Meldung über das Projekt gezeigt. Darauf bewarb er sich bei der Castingagentur. „Klar, einmal bei einem großen Hollywoodfilm dabei zu sein, wer träumt nicht davon? Die Tatsache, dass der Film auch noch über den Opapa ist, hat mich natürlich noch mehr gereizt.“ Vor sechs Wochen dann der ersehnte Anruf, er möge nach Berlin kommen, man habe eine Rolle für ihn. „Natürlich wussten die, dass ich der Stauffenberg-Enkel bin“, sagt er. Inwieweit das die Zusage beeinflusst habe, weiß er nicht. „Sagen wir so: Es schadet niemandem.“
Philipp von Schulthess findet es gut, dass sich die Amerikaner entschieden haben, einen Film über seinen Großvater zu machen, zumal dessen Geschichte alles andere als typischer Hollywoodstoff sei: „Es war eine Gruppe von Leuten, die gescheitert ist. Kein Happy End, keine Liebesgeschichte, nichts – wer will das sehen?“ Er dagegen wollte schon immer in einem Stauffenberg-Film mitspielen. Kann er sich die Rolle des Stauffenberg auch einmal für sich selbst vorstellen? „Warum nicht?“
Nicht alle freuen sich auf den Film
Die anfänglichen Bedenken gegen den Widerstandsfilm, die auch aus den Reihen seiner Familie kamen, kann der Enkel nicht nachvollziehen. Stauffenberg-Sohn Berthold wetterte in einem Interview, der umstrittene Hollywoodstar und bekennende Scientologe Tom Cruise solle die Finger von seinem Vater lassen, da komme „sicher nur Mist raus“. Philipp von Schulthess reagiert gelassen: „Jeder hat halt seine Meinung. Bei mir hat sich mein Onkel noch nicht gemeldet.“
Er sagt, er habe kein Problem mit „dieser Sektensache“. Dass Tom Cruise Scientologe ist, sei ihm egal. „Vor was haben die Leute eigentlich Angst? Dass es ein Scientologywerbefilm wird?“ Das sei doch lächerlich. „Ich habe niemanden am Set kennengelernt, der Scientologe ist. Und was Cruise privat macht, geht mich nichts an“, sagt er und klingt plötzlich wie eine Pressestelle. „Andere Stars trinken, nehmen Drogen oder drehen Sexfilme in ihrer Freizeit. Nicht mein Bier.“
Schulthess sagt aber auch: „Florian Henckel von Donnersmarck hat neulich in der ‚FAZ' den Anschein erweckt, wir müssten dankbar sein, dass sich Tom Cruise dieser Figur annimmt, die im Grunde keiner kennt. So sehe ich das allerdings auch nicht. Ich wünsche mir einfach einen guten Film. Und der, das weiß ich, konzentriert sich auf die Verschwörung.“ Das habe ihn überzeugt. Okay, räumt er noch ein, der Film werde sicher auch Kritik ernten, „weil natürlich nicht alles historisch korrekt sein kann. Wir drehen ja keinen Dokumentar-, sondern einen Spielfilm.“
Dass Cruise allerdings die Drehgenehmigung im Bendlerblock verwehrt wurde, findet er „unlogisch“ und „hyperkritisch“, für den Erfolg des Films wiederum auch nicht weiter tragisch. „99,5 Prozent der Menschen wissen eh nicht, wie der Bendlerblock aussieht.“ Umgekehrt helfe Cruise in der Hauptrolle aber ganz sicher, dass sich weltweit mehr Menschen für Stauffenberg interessieren.
Während dessen Tochter Suri wie einst Eisbär Knut im Tiergarten laufen lernt, steht Daddy Cruise nun täglich am Set. „Ein absoluter Profi. Der kommt eher zu früh als zu spät, beherrscht seinen Text. Der drängelt sich nicht vor, sondern wartet wie alle, bis er dran ist.“ Tagelang habe er mit jedem Schauspieler Wort um Wort jede Szene des Drehbuchs diskutiert. „Alles ist Präzisionsarbeit wie im Fahrerlager der Formel1.“
Sein Dinner mit Tom Cruise
Einmal habe er mit Tom Cruise zu Abend gegessen, im Restaurant. „Der Regisseur war dabei, der Produzent, Katie Holmes. Tom hat mich nach meiner Großmutter gefragt, er wollte wissen, wie ich aufgewachsen bin, total interessiert.“
Stauffenberg aber sei daheim nie ein großes Thema gewesen, sagt Philipp von Schulthess, der sein Elternhaus mit drei Geschwistern als humanistisch und liberal beschreibt. Seine Großmutter war schwanger mit seiner Mutter, als der Großvater ermordet wurde. „Ich habe die Omama nie explizit nach ihm gefragt. Das ist ein bisschen so, als wenn du in Paris lebst und nie auf den Eiffelturm gehst. Du denkst immer, das kann ich auch morgen noch. Mein Wissen über den Opapa habe ich, wie die meisten, aus Büchern und Filmen.“ Seine Großmutter starb vor einem Jahr. Heute bereut er, dass er nicht öfter nachgefragt hat.
In diesem Jahr wäre Claus Schenk Graf von Stauffenberg 100 Jahre alt geworden. „Es wird deswegen kein Fest geben“, sagt sein Enkel. „Es ist ja auch nicht so, dass wir am 20. Juli Kerzen anzünden.“ Einmal jeden Herbst treffen sich die Stauffenbergs, „beim Onkel Franz Ludwig in Kirchlautern, wo auch meine Großmutter beerdigt ist. Da gibt es ein Abendessen, und der Jüngste muss eine Rede halten.“
Er sei stolz, sagt Philipp von Schulthess, weil er einen Großvater habe, der sich getraut hat, ein Attentat auf Adolf Hitler zu begehen. „Ich bin aber nichts Besonderes, nur weil ich der Enkel bin.“
Diese Verantwortung Stauffenbergs, sich gegen eine Ungerechtigkeit zu wehren, sei eine starke Komponente im Film. „Letztlich geht es um Moral: Da ist ein Mensch, mein Großvater, der entgegen seiner Erziehung, seinem Eid, entgegen seinem Urverständnis von Gehorsam und Disziplin und im vollen Bewusstsein, das Leben seiner Familie zu riskieren, ein Attentat auf seinen Befehlshaber begeht. Stauffenberg hat sich als Offizier über alle Zweifel und seine eigene Natur hinweggesetzt, weil er sich verpflichtet fühlte. Aus Verantwortung für sein Vaterland und die Menschen. Das macht heute niemand mehr.“
Und seine eigene größte Heldentat? Schweigen. „Keine Ahnung.“ Dann doch. Er lacht. „Um vier Uhr aufzustehen wie die letzten Tage. Um zum Dreh zu fahren.“