Keine Freude, kein schöner Götterfunken. (2024)

laut.de-Kritik

Keine Freude, kein schöner Götterfunken.

Review von Franz Mauerer

Manchmal schießen Pressetexte übers Ziel hinaus; das bedingt sich ein wenig. Jemand hat eine Deadline, keine Zeit, sie einzuhalten, das Kind schreit, das Konto ächzt, und dann ist es natürlich einfacher, das mediokre Machwerk der Kundschaft über den Klee zu loben, als könnte sich erst nach dieser Hörerfahrung die Menschwerdung entfalten. Manche bleiben dann halt doch in Erinnerung, und das sogar jahrelang. Bei mir war es der Text zu "Look Up, I'm Down There" von Project Pitchfork, der mit folgendem, herrlich megalomanisch-hanebüchenem Schrott begann:

"Seit Anbeginn der Geschichte blickt der Mensch in den Nachthimmel. Sehnend, fragend, suchend, hoffend. Sind wir wirklich allein in diesem lichtlosen Kosmos? Worin liegt der Sinn der Existenz? Wieso das alles – Kriege, Terror, Hunger, Leid, im angehenden 21. Jahrhundert gibt es auf den ersten Blick nicht allzu viel, was der Menschheit zum Vorteil gereicht. Dieser Blick nach außen, er ist immer auch ein Blick nach innen. 'Look Up, I'm Down There'. Schau ruhig nach oben, doch wir sind längst hier. Was, wenn wir dir sagen, dass die Antworten, die du suchst, direkt vor deiner Nase liegen? Was, wenn wir dir sagen, dass es Hoffnung gibt?"

Seitdem muss ich immer lächeln, wenn ich an die Dustergestalten von Project Pitchfork denke. "Elysium" lässt auch noch an Disco Elysium denkend, die dümmliche Freude wird mir aber aus dem Gesicht gewischt, als dank des neuen Pressetextes klar wird, von welcher Bedeutung das vorliegende Werk ist:

"Mehr denn je sind seine [Peter Spilles] Songs Hymnen des Widerstands. Gegen Dummheit, gegen die Zerstörung des Planeten. Gegen das ewige Nichts, das auf uns alle wartet. Alles endet. Soweit, so bekannt. Es gilt jetzt also, das Beste mit der Zeit anzufangen, die uns noch gegeben ist. Peter Spilles macht es vor. Und liefert mit 'Elysium' nicht nur den furiosen, mitreißenden Abschluss einer großen Trilogie; sondern vielleicht überhaupt das Opus magnum seiner stellaren Karriere. Viel besser kann man Electro einfach nicht exorzieren."

Wave in all seinen Formen, auch der Darken, ist eine tolle Sache. Die Verbindung aus metallischer Kälte der Maschinen und vokalem Schmerz hat einige der besten Alben überhaupt herausgebracht. Aber "Elysium" ist Müll. Schon der Opener "Galaxies" ist Weltraumschrott, und dabei ignorieren wir die englischsprachigen Dichtungen auf infantilem Niveau noch und wollen uns ihnen auch nicht mehr widmen, dafür ist die Zeit zu schade. Obwohl die durch sie und das völlige Fehlen jeder zweiten Ebene, geschweige denn Ironie, errichtete unfreiwillig komische Fallhöhe allein schon dem Album das Genick bricht.

Aber "Elysium" versagt musikalisch so völlig, dass sich weitere Betrachtungen erübrigen. "Galaxies" beginnt noch ganz stimmungsvoll und stellt sich im Nachhinein unfassbarerweise gar als Höhepunkt heraus, dafür reicht schon ein halbwegs anständiger Bass unter dem Billoscheiß, den Spilles und Jansen aus den Keyboards jagen. Der wird aber am Schluss ersoffen unter dem unbeholfenen Gesang Spilles', der heruntergepitcht im Rest des Songs zumindest als Gimmick gerade noch okay geht.

"Unity" allein müsste die deutsche Teilung eigentlich schon wieder besiegeln, so mies ist dieses Schlagermachwerk. Antimusik ohne Dynamik, ohne positiv besetzter Reibungs- und Wiedererkennungsfläche, es ist geradezu absurd, dass der Hauptverantwortliche dafür schon 20 Alben auf dem Buckel haben soll, so ungelenk und formelhaft präsentiert der Song sich. Alles riecht nach Sporthalle, in der die Schülerband nach der letzten Sportstunde noch üben darf, bis der Hausmeister zusperrt. Das toppt nur noch der "Falsett"-Gesang auf dem haarsträubenden "Summer Walk". Der Abgang von Gründungsmitglied Scheuber riss anscheinend eine große Lücke, auch wenn seine Gitarre auf dem schon abwärts zeigendem "Fragment" kaum mehr zu vernehmen war.

"Der Tanz" macht alles noch viel schlimmer, denn wir betreten den Verdachtsbereich der Satire. Wüsste man es nicht besser, man würde vermuten, Mushiflo hätte auf Dark Wave umgesattelt. Der versuchte Spannungsaufbau auf "Learning To Live" scheitert krachend, zu unsicher das Stimmlein, zu mies abgemischt die Drums, und der Song ist einfach zu schlecht geschrieben. Und damit ist keineswegs das dem Genre eigene repetitive Element gemeint; das fehlt hier insofern durchgehend, als dass sich zu keinem Zeitpunkt ein hypnotischer Sog einstellt. Die Kitsch-Feuerzeuge in "Melancholia" brennen nicht gescheit, zu zähflüssig wabert der Song, musikalisches Saures Lüngerl und damit hat es im Gegensatz zu seinem Geschwister "Memories" wenigstens irgendein Attribut.

"Isolation" schießt der debile Gesang nach musikalisch halbwegs gelungenem Beginn problemlos ab, danach animiert "Axiom" als erster Song zum Tanzen. Gut ist das immer noch nicht, aber zumindest brauchbar, weil stellenweise treibend, wenn auch zu vorhersehbar. "Transformation" ist sterbenslangweilig, aber immerhin nicht verunglückt oder so Fremdscham auslösend wie "Blind Mice", diese behämmerte Pseudo-Behauptungshymne. Dem Duo ist auf "Elysium" die Pose sichtbar wichtiger als der Inhalt. Schade drum, oder wie Spilles auf "Final Words" krächzt: "Let these words / like whispers flow / from generations / yet to know". Sänk you, Allemagne, 1 Punkt!

Keine Freude, kein schöner Götterfunken. (2024)

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